Shakespeare hätte in der Eifel seinen Spaß gehabt
Wie der mutige Plan der Kaisersescher Theaterleute aufgeht
Kaisersesch. Unzählige Male ist „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare (1564-1616) auf den Bühnen dieser Welt aufgeführt worden, aber vermutlich ist Oberon, der König der Elfen noch nie auf einer Harley Davidson in die Szene gebraust. In der Aufführung der Kaisersescher Freilichtbühne am schiefen Turm schon, denn dort gehört ein spektakulärer, mobiler Gag immer zur Inszenierung. Und Shakespeare hätte der rasante Auftritt seines von ihm erdachten Herrn der Geisterwelt sicher gefallen. Denn die 1595//96 entstandene Komödie ist ein Märchen, ein Verwirrspiel um die Liebe, ein Traum, in dem nichts unmöglich erscheint.
Die Kaisersescher Theatertruppe unter der Regie von Stephan Hilken nimmt es auf mit den verschiedenen Handlungsebenen des Schauspiels, die Shakespeare vermischt, durcheinander wirbelt und am Ende harmonisch auflöst. Kirsten Roscher hat den Text für die Freilichtbühne so überarbeitet, dass die besondere Sprache des Dichters erhalten blieb. Die Liebe in ihren vielfachen Facetten verbindet die Handlungsebenen des Bühnenstücks: die politisch motivierte Verbindung zwischen Theseus und Hippolyta (Karl-Heinz Lehner, Maria Oster), die unerwiderte Liebe Helenas zu Demetrius (Carla Wink/Marie Schnadhorst, Jakob Heimes), die kriselnde Ehe von Oberon und Titania (Thomas Ellerich, Simone Spies) das Liebesleid von Hermia und Lysander (Hannah Lehnen/Melissa Gasser, Morten Roscher).
Und als wäre das nicht schon Drama genug, baut Shakespeare in das Stück noch die Theateraufführung einer Handwerkertruppe ein, die mit ihrem unkonventionellen Spiel die verbotene Leidenschaft zwischen Pyramus und Thisbe zu einem tödlichen und zugleich komischen Ende führen. Da sich alle Liebenden in einem Wald bei Athen treffen, sorgen die Kobolde, die dort das Sagen haben, mit Zauberkräutern für weiteren Verdruss.
Dieser Herausforderung stellen sich die Schauspieler der Freilichtbühne, und das Unternehmen gelingt. Das Publikum genießt Tanz und Gesang der Elfen, die in farbigen Kostümen ihre Königin Titania umschwirren, und sie leiden mit den jungen Liebespaaren, die nur auf Umwegen zueinander finden. Die Zuschauer verfolgen mit Spannung Titanias und Oberons Ehekrach, lachen vor Vergnügen, als Titania ihre „Contenance“ verliert und sich in einen Esel verliebt. Dabei sind die Zaubertricks des Puck (Kirsten Roscher) im Spiel, der den Handwerker Zettel (Stephan Hilken) als dummen, liebestollen Esel ins Bett der Elfenkönigin treibt. Die Rolle des pfiffigen, boshaften und doch liebenswerten Puck ist Kirsten Roscher wie auf den Leib geschrieben, und Hilken meistert mit Witz die ganz schön frivole Szene mit der Elfenkönigin, ohne dass sie peinlich wirkt.
Sehr lebendig und unterhaltsam agieren auch die Handwerker, die zu Ehren der Hochzeit von Theseus und Hippolyta das Liebesdrama von Pyramus und Thisbe proben und schließlich aufführen. Dieses „Theater im Theater“ gestaltet sich – aus dem Zusammenhang betrachtet – als ziemlich blödsinniger Klamauk. Doch genau das hat Shakespeare so gewollt, der sich als Profischauspieler über die Amateurdarsteller seiner Zeit lustig machte. Lustig und unterhaltsam ist jedenfalls der Theaterabend bei der Freilichtbühne am schiefen Turm, was das Publikum mit viel Applaus honoriert. Brigitte Meier
Weitere Aufführungen: 20./21., und 27./28. Juli, 20 Uhr. Infos www.theater-kaisersesch.de
Bildinformation: Bühnenbild, Kostüme, Effekte: In Kaisersesch hat wieder einmal alles gepasst. Oberon fährt auf der Harley Davidson vor, der Motorgag gehört einfach dazu. Regisseur Stephan Hilken wird wohl zufrieden sein mit dem ersten Wochenende, vier weitere Aufführungen folgen. Fotos: Wolfgang Thielen