Malen gibt Einblicke in die Seele
Kaisersesch. Eine kleine Leinwand, ein Pappteller mit einem Klecks Farbe und ein Stück Küchenpapier, das sind die simplen Zutaten für eine kunsttherapeutische Sitzung mit Frank Binder.
Ganz und gar nicht simpel sind jedoch die Erkenntnisse des Klienten, der mit Binders Hilfe tiefe Einblicke in seine Seele finden und diese zur Bereicherung und positiven Wendung seines Lebens nutzen kann.
Frank Binder (62), Professor für multimediale Anwendungen an der Hochschule Merseburg im Vorruhestand mit Ausbildung zum Kunst- und Kreativitätstherapeuten, wird ab Januar 2017 in einem Raum der Mal- und Modeschule Rosa-Maria Pick-Rötter ein Angebot machen.
Eine allgemeingültige Definition von Kunsttherapie mag Binder nicht geben: "Das ist ein weites Feld. Es gibt viele verschiedene Richtungen und Meinungen dazu, die sich gegenseitig respektieren sollten. Welche Methode und welcher Therapeut am besten für ihn ist, entscheidet der Klient selbst." Binder gründet seine Kunsttherapie, die sich an Erwachsene ab 16 Jahre richtet, auf wissenschaftlicher Basis. Sie orientiert sich im Wesentlichen an den Grundlagen der analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs und der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Binder betont jedoch: "Kunsttherapie ist nicht mit einer Psychotherapie zu verwechseln und wird außerhalb der Heilkunde praktiziert."
Wie wird denn nun aus Leinwand, Farbe und Küchenpapier Kunsttherapie? Binder empfiehlt, das zusammengeknüllte Papier in die Farbe zu tunken und diese anschließend auf der Leinwand zu verteilen, sodass ein Bild entsteht. Wichtig dabei ist jedoch, die Hand mit dem Farbpapier nicht bewusst über die Leinwand zu bewegen, etwa um ein bestimmtes realistisches Bild zu produzieren, sondern spontan und intuitiv. Dann bittet Binder den "Künstler", ebenso spontan aus den wie zufällig entstandenen Farbklecksen, Formen und Linien etwas zu erkennen, etwa Gegenstände, Menschen, Tiere oder Situationen.
Nun kommt Jungs Traumdeutung ins Spiel, denn die vom Klienten benannten Bilder sind eben nicht zufällig gemalt worden, sondern sind Symbole, die unterbewusste, innere Bilder seiner Seele widerspiegeln. Im Gespräch mit dem Kunsttherapeuten kann der Klient Erkenntnisse über sich erlangen, die ihm bis dato verborgen waren. Diese neue Erfahrung der Selbstwahrnehmung stärkt das Selbstbewusstsein, emotionale sowie soziale Kompetenzen und legt innere Ressourcen frei.
Kunsttherapie kann helfen, Stress abzubauen oder auch belastende Konflikte im Privat- und Berufsleben zu lösen, traumatische Erlebnisse und Krankheiten, Trauer und Trennungen zu bewältigen. Sie kann eine Psychotherapie begleiten. Damit Kunsttherapie ihre Wirksamkeit entfalten kann, sind mehrere Sitzungen erforderlich, erklärt Binder: "Ich empfehle zunächst vier Sitzungen zur Probe. Danach können sich die Klienten für eine Fortführung entscheiden." Das erste Gespräch zum Kennenlernen ist kostenlos, denn der Erfolg der Kunsttherapie hängt auch von der vertrauensvollen Beziehung zwischen Klient und Therapeut ab. Binder bietet je nach Bedarf und Ziel des Klienten Einzel- und Gruppensitzungen an.
Neben der Kunsttherapie liegt Binder auch die Entdeckung und Entwicklung der Kreativität am Herzen: "Nicht nur für die Kunst ist Kreativität der Motor." Auch Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler müssen kreativ sein, um Neues zu schaffen oder neue Erkenntnisse zu gewinnen, damit sich die Welt weiterentwickeln kann. Unter dem Titel "Kreativ werden, aber wie?" hält Professor Binder am Freitag, 9. Dezember, um 17 Uhr einen Vortrag in der Mal- und Modeschule Pick-Rötter, Balduinstraße 26, in Kaisersesch. Rosa-Maria Pick-Rötter und Frank Binder planen ein gemeinsames Kunstprojekt im multimedialen Bereich.
Nähere Informationen: www.frankbinder.info
Von unserer Mitarbeiterin Brigitte Meier
Bildinformation: Frank Binder bietet im kommenden Jahr Kunsttherapie in Kaisersesch an. Foto: privat